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Unread 07-31-2023, 10:51 AM   #3
klaus 3338
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Die nachfolgend aufgeführten Gedanken habe ich in meiner Muttersprache verfassen müssen, da meine Englischkenntnisse nicht ausreichen, um mich in der notwendigen Präzision auszudrücken, Zudem unterstelle ich mal, dass eine so weit reichende Auseinandersetzung mit dem Thema sowohl Interesse, aber insbesondere auch Vorkenntnisse voraussetzen, die, zumindest was das Interesse anbetrifft, den meisten Sammlern eher fehlen dürfte. Trotzdem möchte ich sie einem großen Publikum zugänglich machen in der Hoffnung, dass noch vor Erstellen des Buches Interessierte einen Beitrag leisten mögen und eigene Denkansätze vorstellen. Voraussetzung dafür ist natürlich erst einmal eine gute Übersetzung meiner Gedanken ins Englische. Das ist sicher mit etwas Arbeit verbunden, aber auch diese Zeilen haben etwas Zeit in Anspruch genommen.

In den letzten zwanzig, dreißig Jahren habe ich mich recht intensiv mit den Schraubenziehern zur P08 beschäftigt, stellten sich doch immer wieder mal Fragen, die ich gerne beantwortet hätte. Eine dieser Fragen war, ab wann der bei den DWM hergestellte Schraubenzieher einen Abnahmestempel trug und welcher Abnahmebeamte ihn schlug. P08 aus DWM und Erfurter Fertigung tragen bis 1911 nur je zwei gut sichtbare Abnahmestempel auf der zuerst linken, ab 1910 dann auf der rechten Seite. Bei genauerem Hinsehen befindet sich im jeweils rechten Abnahmestempel ein kleinerer (2mm hoch), der in der Regel dem größeren Abnahmestempel (3,2 mm hoch) gleicht. Hier hat derselbe Abnahmebeamte also einen Abnahmestempel über den zuvor geschlagenen gesetzt.

Hinweise über die Bedeutung der einzelnen Stempel finden sich in der Vorschrift für die Stempelung der Pistole 08 nebst einer Zeichnung, die infolge der beginnenden Pistolenproduktion bei der Staatlichen Gewehrfabrik Erfurt vom Infanterie- Konstruktionsbureau Spandau aufgestellt wurde. Die 1910 zu diesem Abschnitt beigefügte Zeichnung zeigt die Abnahmestempel auf der rechten Seite der Gabel, genau so, wie man es bei den ab 1910 gefertigten DWM und auch Erfurt Pistolen sehen kann und benennt die Stempel von links nach rechts mit 3: Hülse hart, kleiner Abnahmestempel und Jahreszahl; mit 26c: Hülse (Gabel) kleiner Abnahmestempel und auf dem Lauf Kaliberangabe in hundertstel- Millimetern, 1,5 mm hoch und 26b: auf Lauf, Hülse und Kammer heraldischer Adler (Beschuss- Stempel). Ab Oktober 1911 wurde die Zeichnung wie bei Änderungen von militärischen Vorschriften üblich, mit einem Deckblatt versehen, auf dem nun drei Abnahmestempel und der Beschuss- Stempel zu sehen sind. Der ursprünglich verdeckte, da überschlagene, Abnahmestempel (Pistole fertig zum Anschuss) bedeutet unter 26a: Hülse, kleiner Abnahmestempel neben voller Pistolennummer in 2,1 mm Höhe auf Lauf, Kammer, Auszieher, Schlagbolzen, Vorder- und Hintergelenk, Kammerfangstück, Sperrstück, Abzug, Deckplatte, Abzugstange, Sicherungdriegel, Sicherungshebel und Griffschalen wurden mit der beiden Endziffern in 2,1 mm Höhe versehen, das Griffstück mit der vollen Pistolennummer mit 2,1 mm Höhe.
Soweit also der Rahmen, der mich in meinen Überlegungen unterstützte festzulegen, welcher Abnahmebeamte wohl seinen Stempel auf den Schraubenzieher geschlagen hat. In Verbindung mit den Werkstoffangaben, die in den Konstruktionszeichnungen von Gerorg Luger, den Masstafeln des Infanterie Konstruktionsbureaus, den werksinternen Vorschriften, die bei Mauser/ Oberndorf zu den Schraubenziehern vermerkt sind und noch weiteren Überlegungen, neige ich zu der Vermutung, dass der jeweils erste Abnahmestempel 3: ( Hülse hart) auf den P08 auch auf die Schraubenziehern geschlagen wurde. 26a und 26c haben meines Erachtens keinen Bezug zu den Schraubenziehern, zumal es in der Regel kaum oder keine Schraubenzieher gibt, die Abnahmestempel 26a (Pistole fertig zum Anschuss) haben, und das weder bei den DWM noch Erfurt P08.

Noch einmal zurück zu den Schraubenziehern der DWM Pistolen vor 1910. Archivalien in Deutschen Archiven schweigen sich zu der Frage, ob die 50000 Schraubenzieher, die im Vertrag zwischen dem preussischen Staat und der Deutschen Waffen und Munitionsfabrik aufgelistet sind, mit einem Abnahmestempel versehen waren, aus. Es gibt nur wenige Hinweise, die zu einer Antwort beitragen können. Zur DWM P08 mit Nr. 9174 und Truppenstempel 66.R.M.G.21 passt ein Schraubenzieher Krone/ Z und Stempel 66.R.M.G.67. Die Frage ist nur: Wurde die Maschinen Gewehr Kompagnie zur gleichen Zeit mit den 80 P08 ausgerüstet, die ihr nach dem Waffenetat für Feld- und Vizefeldwebel, 7 Unteroffiziere, 8 Gefreite und 61 Gemeine, den Fahnenschmied und den Sanitärunteroffizier zustand? Auch wenn es nur wenige verlässliche Archivalien dazu gjbt, scheint das so gewesen zu sein. Das vom Artillerie Depot in Landau aufgestellte Verzeichnis in Verbindung mit dem nachträglichen Einbau von Kammerfang und dem Austausch des Korns zur Vereinheitlichung der Visierschussweite listet die Nummern von P08 verschiedener Maschinengewehr Kompagnien auf, die, soweit bis jetzt identifiziert, alle im jeweils gleichen Jahr und in entsprechender Nummernfolge hergestellt wurden. Ein Beweis ist das allerdings nicht wirklich, lediglich ein Indiz für eine Wahrscheinlichkeit. Und die weiter oben angesprochene Vorschrift über Stempelung der Pistole 08 nebst Zeichnung spiegelte wahrscheinlich erst einmal lediglich die bisherige Praxis der seit 1908 bei den DWM gefertigten Ordonnanzpistolen hinsichtlich der Abnahme wieder und führte eine zusätzliche Verfahrensordnung ein.

Noch ein paar Sätze zur allgemeinen Fertigung und Verteilung der Schraubenzieher und der Ordonnanzpistole.. Heinz Meyer, dessen Familie deutsche Wurzeln hatte, aber seit 4 Generationen in Südafrika lebt, startete am 26, Juni 2022 einen Beitrag in Jan Stills Luger Gunboards com unter dem Titel “1913 Erfurt Luger”. Die vorgestellte P08 ist meines Wissens die einzige Luger Pistole aus Erfurt Fertigung, und dazu noch mit nummerngleichem Magazin, die belegt, wie eine Erfurt P08 aussieht, die an Offiziere geliefert wurde, die zur Selbsteinkleidung und Ausrüstung verpflichtet waren und schlägt zudem einen Bogen zur DWM Commercial Army Luger. Neben der zivilen Tasche sieht man einen Schraubenzieher aus DWM Produktion mit Spandauer Abnahmestempel, erst einmal ein offensichtlicher Widerspruch, der mich dann aber zu weiteren Überlegungen über die Verteilung von P08 und die Schraubenzieher anregte.
Die Beschaffung und Verteilung von Waffen und auch den Schraubenziehern erfolgte über die Artillerie Depots der Generalkommandos der einzelnen Armee Korps. Ab 1911 trat als Lieferant der Ordonnanzpistole die Staatliche Gewehrfabrik Erfurt hinzu und lieferte ebenfalls P08 nebst Reservemagazin und die Schraubenzieher an die Artillerie Depots. Während die Magazine durch ihre Nummern den jeweiligen Pistolen zugeordnet werden konnten, gab es weder Veranlassung noch Möglichkeit, einen einzelnen Schraubenzieher einer Waffe zuordnen zu können. Es spielte auch keine Rolle, wenn ein DWM Schraubenzieher einer Pistole aus Erfurter Fertigung zugeteilt wurde; der Abnahmestempel garantierte die Funktion bei den Waffen beider Hersteller.

Eine weitere Frage, die mich jahrelang beschäftigt hat, hing mit der großen Anzahl von Schraubenziehern zusammen, die sich durch Formveränderungen ankündigte, die sich bei den DWM ab ca. 1915 oder 1916 vollzogen und deren erste Exemplare dreiteilige Kronen und die Buchstaben H oder schmales S hatten. Zeitgleich scheint sich auch die Form der Erfurt zuzuordnenden Schraubenzieher geändert zu haben; Schraubenzieher mit dem Abnahmestempel C/J gibt es in der ursprünglich eher kantigen Bauform und der späteren etwas runderen Bauform, die Erfurter Schraubenzieher C/S (jeweils in großer und kleinerer Schreibweise, aber immer mit Unterstrich und teils kleinem Überstrich) sind Beispiele für die späte runde Form. Meine Beobachtungen lassen mich vermuten, dass die Schraubenzieher bei beiden Herstellern nach Kriegsausbruch nur noch eine kurze Zeit in ihrer ursprünglichen Bauform und nach ursprünglicher Vorgehensweise produziert und abgenommen wurden. Da können vielseitige Gründe vorgelegen haben, von der aufwendigen und teuren Fertigung eines eher unbedeutenden Zubehörs Abstand zu nehmen; Fachkräftemangel an sich, oder zeitliche Bindung von Arbeitskräften, die an anderer Stelle sinnvoller einsetzbar waren, können Gründe gewesen sein. Möglich erscheint auch, dass die Schraubenzieher z.B. bei Pieper in Lüttich gefertigt wurden, wie andere Teile zur P08 auch, um in den Werken in Deutschland die kriegswichtigeren Maschinengewehre oder den K98 zu fertigen. Charakteristisch ist für die späten Schraubenzieher eine für DWM typische Form und Farbe mit nun vergrößerten Grad, der hinter den verstifeten Zubringerknopf des Magazins greift, sowie eine geänderte Biegetechnik des kurzen Teils des Schraubenziehers, was in einer klar abgegrenzten Fläche bei der Draufsicht festzustellen ist. Es scheint auch, bis auf wenige (frühe?) Ausnahmen, auf die Schlichtung der Seitenkanten des Schraubenziehers verzichtet worden zu sein. Unter diesem Aspekt scheint es den abgenommenen und in der 1910 vom Infanterie. Konstruktionsbureau Spandau aufgestellten Vorschrift für die Stempelung der Pistole 08 nebst einer Zeichnung aufgefürten Schraubenzieher nur für die Jahre 1909/10 bis 1915/16 gegeben haben.
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